Essbare Wälder in der Stadt

Wisst ihr noch, als man Christbaumschmuck essen konnte?

Advent, Advent, jetzt schon das zweite Lichtlein brennt. Man kann die Lebkuchen und den Glühwein förmlich riechen, immer mal wieder schwebt auch ein Hauch von Schneeduft an der Nase vorbei. Meine Tochter fragt mich auch schon regelmäßig: Mama, wann kommt denn jetzt endlich der Schnee?

Wenn man jetzt an Wälder denkt, sind das wahrscheinlich eher die verschneiten Fichtenwälder wo Fuchs und Hase die Glöckchen des Weihnachtsmannschlittens mit den Rentieren als erstes hören, bevor er dann irgendwann auf unseren Dächern landet und uns und unseren Kindern schöne Gaben aus seinem großen Sack unter den Weihnachtsbaum legt. Die Weihnachtsbäume! – geschmückt mit Kugeln, waren es nicht früher die roten Winteräpfel und Nüsse als Sinnbild für die Fruchtbarkeit? Waren es nicht Papierblumen und Süßigkeiten als lebendige Lichtpunkte in der kalten dunklen Zeit? Früher war der Weihnachtsbaumschmuck in den armen Familien gleichzeitig die Bescherung für die Kinder, die sich zum Heiligen Abend die Früchte von den Bäumen pflücken durften.

Waldgarten Berlin
Der frisch gepflanzte Waldgarten in Berlin Britz!

Jetzt möchte ich aber von zwei irgendwie ganz anderen Wäldern erzählen, die gerade in Berlin und Kassel entstehen und die auch zu Sinnbildern für Fruchtbarkeit und zu lebendigen Lichtpunkten in unseren jetzigen Städten mit unseren jetzigen Themen werden sollen:

Für das groß angelegte Forschungsprojekt Urbane Waldgärten, das durch die Universität Potsdam initiiert wurde und durch das Bundesprogramm leben.natur.vielfalt gefördert wird, entstehen gerade drei Urbane Waldgärten in Berlin und Kassel. Zwei davon haben wir geplant und von denen kann ich mehr erzählen. Waldgärten sind essbare Wälder, also Wälder voll von Obst- und Nussbäumen und Beerensträuchern. Es sind Wälder, die nichts gemein haben mit den aufgeforsteten Monokulturen für den Holzertrag oder mit den Obst- und Nuss-Plantagen, die den Anbau dominieren.

Waldgärten: Alles gleichzeitig und übereinander.

Für Waldgärten steht der natürlichen Wald als Vorbild mit all seinen Etagen – Boden, Krautschicht, Sträucher, Bäume und Kletterpflanzen und mit all seinen zeitlichen Stadien – Junger Wald, Waldrand, Alter Wald, Flächen mit Sturm- und Brandschäden und daraus wieder frei werdenden Flächen für neue Jungwälder. Diese komplexen und dynamischen Systeme die entstehen, wenn man den Wald mal machen lässt, schauen wir uns an und tauschen die einzelnen Arten des Systems durch für uns leckere Alternativen aus.

Food Forest
Lebendige, vielschichtige ökosysteme statt Monokultur.

Statt Melde, Giersch und Brennnessel pflanzen wir zum Beispiel Wildspargel, Bärlauch, Walderdbeeren und Rhabarber – wobei die drei anderen eigentlich auch ganz lecker sind. Brombeere, Wildrose und Ginster ergänzen wir durch Himbeeren und Felsenbirnen und statt des Eichen- oder Buchenmischwaldes besteht unsere Baumebene aus Esskastanie, Walnuss, Kirsche und Apfel.

Anders als beim natürlichen Wald warten wir die Sukzessionsschritte nicht ab, sondern starten mit der Pflanzung schon mit allen Stadien und pflanzen krautige Pflanzen, Obststräucher und Bäume zur gleichen Zeit. Das Verständnis über die natürlichen Sukzessionsstadien hilft uns dabei einschätzen zu können, wann welche unserer Strukturen im Ertrag gerade den Ton angeben wird. Am Anfang, wenn die Bäume noch eher an kleine Stöcker im Boden erinnern, wird viel Platz und Licht für Gemüse und Stauden vorhanden sein. Ein paar Jahre können sich die Menschen dort also im Gemüseanbau austoben und Wildkrautsalate futtern. Auch die Johannisbeeren, Himbeeren und co. haben jetzt ihre Hochphase. Wenn dann die Sträucher und die Bäume wachsen, wandelt sich das Bild und auch die Ernte. Die Nüsse, Äpfel, Birnen und Zwetschgen bekommen ihre Zeit.

Ertrag ist nicht nur die Frucht in der Hand

Waldgarten Berlin 2
Der Waldgarten in Berlin Britz wächst schon, Kassel zieht bald nach!

Waldgärten sind viel mehr als nur Ertragssysteme. Das Schöne an ihnen ist, dass sie nicht nur in ihrer pflanzlichen Struktur und in der Ernte vielschichtig sind. Sie schaffen Lebensraum für eine Vielzahl von Arten, Stabilität und Flexibilität um schnelle klimatische Veränderungen abzufedern, Schatten und Biomasse für die Böden und damit bessere Wasserspeicherung, mehr Bodenleben und nicht zu Letzt schaffen sie Räume für den Menschen – Räume der Kommunikation, Räume der Begegnung mit der Natur, Räume der Ruhe und auch der Betriebsamkeit und Räume des Genusses – und das Ganze so wunderbar schön am Boden geblieben und ganz nah dran.

Denken wir noch mal an den Weihnachtsbaum – wir wünschen uns sehr, dass die beiden Waldgärten, die da gerade entstehen, etwas Ähnliches schaffen wie der Weihnachtsbaum in den Wohnzimmern der Familien. Lichtblicke in der manchmal recht dunklen und kalten Zeit, Sinnbild für Fruchtbarkeit und natürlich jede Menge zu naschen!

Der Waldgarten in Berlin Britz wächst bereits, dort stehen jetzt schon beinahe 2.000 Bäume und Sträucher und ca. 12.000 Stauden.

Auch in Kassel sind die ersten Spuren zu sehen. Die Wege sind gebaggert, ein Senkgarten und ein Hügel und erste Mulden für spätere Schwammbeete zeichnen sich ab. Wir freuen uns auch hier auf die ersten Baumpflanzungen – vielleicht noch in diesem Jahr?

Wenn auch ihr mehr über Waldgärten erfahren wollt, schaut euch die Projekte auf unserer Internetseite an.

Weitere gute Quellen:

Die Website zum Projekt Urbane Waldgärten: www.urbane-waldgaerten.de

Das Buch Praxisbuch Waldgarten von Volker Kranz und Fritz Deemter, u.A. zu bestellen beim Haupt Verlag

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