Baumbiographische Erlebnisfelder

Das ist der Name für die von uns entwickelten Lehrpfade, auf denen wir den BesucherInnen auf phantasievolle Weise die Körpersprache der Bäume erläutern. Das erste Projekt wurde im April 2002 in Zusammenarbeit mit Stadtgrün Bremen (jetzt Umweltbetrieb Bremen) verwirklicht. Im Bremer Menke Park (Stadtteil Horn-Lehe an der Strasse „Am Rüten“) können Sie sich nun auf die Suche nach baummechanischen Lösungen und statischen Wunderwerken aus der Pflanzenwelt begeben. Auf dieser Seite haben wir die Schilder des Lehrpfades zusammengestellt und durch weitere Informationen ergänzt. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Durchblättern und hoffen, dass Sie das Erlebnisfeld auch einmal live erleben werden.

Warum bilden Bäume Beulen?

Haben Sie sich das schon mal überlegt? Es gibt Bäume mit einem dicken Bauch – sogar in diesem Park. Aber wie kommt es dazu? Vielleicht hat der Baum zu viel gefuttert. Er hat sich die Photosynthese so richtig schmecken lassen, ohne dabei auf die Figur zu achten! Das ist eine prima Antwort und könnte ja vielleicht auch genauso sein. Es gibt hierzu aber noch ein paar andere spannende Antworten. Diese hören sich vielleicht merkwürdig an, erklären aber, weshalb Bäume manchmal ganz seltsam wachsen.

Ein baumbiographisches Erlebnisfeld

Die Bäume haben ihre Geschichte lange vor der unseren auf diesem Erdball begonnen. Während der Entwicklung der Pflanzenarten suchten sich die Bäume über allen anderen Pflanzen ganz hoch oben den schönsten Platz an der Sonne. Deshalb müssen Bäume schwindelfrei sein und ihre eigene Last auch bei Wind und Sturm tragen können. Der Baum hat sich dieser schwierigen Situation angepasst und steht nun als statisches und mechanisches Meisterwerk da. Um die Kraft, die durch den Wind in den Baum einfließt, tragen zu können, entwickelte er viele mechanische Lösungen. Schief gewachsene Bäume fallen nicht um, waagerechte Äste brechen nicht ab und hohle Stämme können ihre Krone tragen. Diese mechanischen Lösungen bilden sich in der Gestalt jedes Baumes ab. Wie in einer Biographie verrät uns der Baum damit, was ihm in seiner Lebensgeschichte alles widerfahren ist. Und das ist ein Erlebnis! Das wesentliche Prinzip, nach dem die Statik und Mechanik eines Baumes funktioniert, ist gut zu verstehen.

Das Leichtbauprinzip

Bäume verschwenden kein Material. Sie sind derart geniale Baumeister, dass sie ganz genau wissen, an welchen Stellen sie noch etwas mehr Material anlagern müssen, damit es nirgendwo eine Schwachstelle in ihrer Konstruktion gibt. Jeder Baum hat in seinem Organismus ein Messsystem, welches permanent die Spannung all seiner Körperteile misst. Er ist bestrebt, diese Spannung an allen Bauteilen gleichmäßig zu halten. Das Motto lautet: Wo viel Material benötigt wird, kommt auch viel Material hin. Ähnlich wie der Mensch, der starke Knochen und Muskeln bildet, sobald er seinen Körper belastet, lagert der Baum zusätzliche Zellen an jenen Stellen an, an denen diese benötigt werden – und nur dort! Der Baum geht so effektiv mit seinem Material um, dass IngenieurInnen in der Maschinenentwicklung vor Neid erblassen, wenn sie sehen, wie genial Bäume „konstruieren“ können. Es gibt heute sogar Computerprogramme, die berechnen können, wie ein Baum – äußerst materialsparend – eine Autoachse oder ein Zahnrad wachsen lassen würde.

Die Körpersprache der Bäume

Die Abbildung dieser Gestaltgesetze am Baum nennen wir die Körpersprache der Bäume. Wenn wir sie zu lesen lernen, können wir sehr viel über den einzelnen Baum erfahren. Es sind hier alle Grundprinzipien der Mechanik, der Wachstumsgesetze und des Leichtbauprinzips der Natur zu sehen. Der Baum bildet in seiner Körpersprache die eigene Biographie ab, die Sie durch diesen Erlebnispfad nachvollziehen können.

Der Baum, eine statische Konstruktion der Natur

Wenn wir ein Segelboot konstruieren wollen, so müssen wir die Dicke des Mastes mit der Größe der Segelfläche in ein ausgewogenes Verhältnis setzen. Ist der Mast zu dünn, so wird er brechen. Ist er zu dick, so verschwenden wir nur Material und das Schiff wird schwer und unbeweglich. Ein Baum stellt im Prinzip dieselben Berechnungen an. Auch seine Segelfläche (die Krone) muss zu seinem Mast (dem Stamm) passen, damit er sicher durch jeden Sturm segelt. Wenn ein Baumstamm durch Verletzungen oder Pilze geschädigt wird, ist seine Tragfähigkeit geringer. Wir können das ausgleichen, indem wir die Segel des Baumes reffen, d. h. seine Krone zurück schneiden. Vor so einem Eingriff muss aber eine statische Berechnung durchgeführt werden.

Diese Berechnungen zeigen, dass nur ein geringes Einkürzen der Segelfläche (des Kronenvolumens) die Stand- und Bruchsicherheit eines Baumes wieder herstellt. Auf diese Weise können Wege gefunden werden, um massive Eingriffe in den Organismus Baum zu vermeiden. Durch dieses Wissen wird deutlich, wie entscheidend die Größe der Segelfläche von der Stärke des Stammes abhängig ist. Häufig wird ein Baumstamm von innen durch Pilze ausgehöhlt. Das ist wie bei einem Rohr bis zu einem gewissen Maße unbedeutend für die Statik. „Hohl“ ist also nicht immer mit „instabil“ gleichzusetzen. Denken Sie nur an einen Strohhalm, der seine schweren Ähren sehr sicher an einem langen, hohlen Halm trägt.